Der große Zirkus der banalen Fragen
Es ist mir eine Freude, mein Unbehagen zu bekunden. Das Leben, wie es sich vor mir entfaltet, hat eine tückische Ähnlichkeit mit einer kafkaesken Novelle, in der ich zum unfreiwilligen Protagonisten einer digitalen Farce werde. Nein, es handelt sich nicht um die Hoffnung auf das baldige Aufziehen einer Alien-Invasion. Noch schlimmer: Es geht um Twitter, den digitalen Marktplatz für leere Worte, zusammenhangsloses Geschwafel und banale Fragen.
Mit der Ausdauer eines Unermüdlichen, habe ich über die Jahre immer wieder versucht, mich diesem Netzwerk der Nichtigkeiten und Oberflächlichkeit zu stellen. Ich versuchte, mich in seine rätselhaften Rituale einzufügen, habe versucht, seine idiosynkratische Sprache zu erlernen. Aber zu welchem Preis? Um den Preis des eigenen Selbstverlustes? Nein, danke.
Oh, wie liebe ich die Fragen, die wie Löwenzähnchen in einem wilden Windsturm in die Twitter-Landschaft geworfen werden, in der Hoffnung, eine flüchtige Böe der Aufmerksamkeit zu erhaschen. Fragen wie "Was macht ihr am Wochenende?" oder "Wie viele Schuhe besitzt ihr?". Es sind Fragen, die meine grauen Zellen zum Schwingen bringen und die Tiefe meiner Existenz sondieren. Ja, wer bin ich eigentlich ohne meine Schuhe?
Es scheint, als hätten wir die Fähigkeit verloren, wirklich bedeutsame Fragen zu stellen, die das Menschsein ausmachen. Wir sind verliebt in die Oberflächlichkeit, in die konturlosen Fragen, in den raschen, flüchtigen Moment der digitalen Anerkennung. Wir streben nach einem Like, einem Retweet, einem Emoji. Als ob diese uns ein Heilmittel für unser verletztes Selbstwertgefühl liefern könnten. Was für ein tragisches Theater der Eitelkeit!
Diese Obsession ist jedoch nur der dunkle Schatten einer tieferen, unausgesprochenen Tragödie: der Verlust unserer menschlichen Werte und des Inhalts, der unsere Gesellschaft einst zusammenhielt. Wir sitzen allein zu Hause, schicken Emoticons in die digitale Leere, ohne wirklich etwas zu sagen. Unsere Gesellschaft wird zu einer bildschirmbasierten Einsiedelei, ein Ort, an dem Worte ihre Bedeutung verlieren und nur noch als leere Hüllen für unseren Durst nach Bestätigung dienen.
Doch während wir uns eifrig online vernetzen und akribisch nachbearbeitete Selfies posten, in der Hoffnung, ein Spiegelbild unserer Ideale zu projizieren, verlieren wir uns in der Wirklichkeit. Im wirklichen sozialen Leben fühlen wir uns oft hilflos und alleine, unverbunden und unverstanden. Das ist die bittere Ironie unserer Zeit: Wir sind ständig online und verbunden, aber im Grunde genommen sind wir mehr isoliert und getrennt als je zuvor.
Und so zieht der große Zirkus der banalen Fragen weiter, und ich stehe am Rande, beobachte und frage mich, wo wir inmitten dieses Sturms der Oberflächlichkeit und digitalen Entfremdung gelandet sind.
Ein jeder von uns ist wie ein digitaler Narcissus, betört von der eigenen Spiegelung im glänzenden Gewässer von Twitter und Co. Wir starren so sehr auf unser Spiegelbild, dass wir den See selbst vergessen, die Gemeinschaft, die einst existierte. Es ist, als hätten wir die menschliche Fähigkeit verlernt, über die eigene Reflexion hinauszublicken und in die Augen der anderen zu schauen.
Doch müssen wir uns fragen, wer den Vorhang dieser absurden Vorstellung zieht. Ist es Twitter? Sind es wir selbst? Oder ist es die gesellschaftliche Konstruktion, die uns gezwungen hat, uns selbst durch den verzerrten Spiegel der sozialen Medien zu betrachten?
Es ist leicht, Twitter zu verteufeln, es als schwarzes Schaf unserer modernen, digitalen Gesellschaft zu brandmarken. Doch die Wahrheit ist, dass Twitter nur ein Spiegel ist, der die dunkle Realität unserer zeitgenössischen Gesellschaft reflektiert. Es sind nicht Twitter, Instagram und Co., die die Oberflächlichkeit kreieren, sondern wir selbst. Wir sind die Puppenspieler, die die Fäden ziehen. Wir sind die Autoren unserer eigenen Tragödie.
Vielleicht ist es Zeit, dass wir aufhören, die Oberflächlichkeit zu feiern, und stattdessen tiefer graben. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir aufhören, banale, dümmliche Fragen zu stellen, und stattdessen wirklich bedeutsame Dialoge führen. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir aufhören, nach einem flüchtigen Like zu dürsten und stattdessen echte menschliche Beziehungen suchen.
Wann werden wir uns wieder auf das konzentrieren, was wirklich zählt: echte menschliche Verbindungen, bedeutsame Gespräche und eine Gesellschaft, die sich auf Werte und Inhalte konzentriert, anstatt auf die Anzahl der Likes oder Retweets.
Ich hoffe, dass dieser Tag kommen wird, doch in der Zwischenzeit frage ich mich: Wie viele Schuhe besitze ich eigentlich? Ich glaube, ich sollte das mal zählen - und es dann einen Tweet in die Leere des digitalen Seins absetzen.